Die ersten Schritte auf dem Weg zu benutzerfreundlichen Handbüchern

Schlechte Handbücher und Anleitungen gibt es in unendlicher Zahl. Praktisch jeder Erwachsene hat in seinem Leben schon einmal Bekanntschaft damit gemacht (und wahrscheinlich darüber geflucht).

Ganz vorne auf der Hitliste steht natürlich das kunstvoll gefaltete Begleitblatt voller zufälligem Irrsinn, mit welchem uns gerade billige Importware regelmäßig erfreut. „Beglücken Sie Knopf roten für Ergebnis“. Ob die anderen 32 Sprachen auf dem Zettel wohl auch unter dem Einfluss von LSD geschrieben wurden?

Wie im Krieg gilt aber auch hier: Der wahre Feind lauert im Verborgenen! Auf Kauderwelsch sind wir vorbereitet, je nachdem wo wir eingekauft haben, wären wir verwundert, etwas anderes vorzufinden.

Wie viel schmerzhafter ist da doch der stille und heimliche Verrat eines professionell gestalteten, umfangreichen und vertrauenerweckenden Handbuches. In wohlgewählten Worte zeigt es uns verlässlich den Weg von Punkt B über C und D zu E. Leider fehlt jede Erläuterung dazu, wie man von Punkt A zu Punkt B gelangt.

Das Problem ist, dass sich die Herausgeberinnen und Herausgeber von Handbüchern oft nicht ausreichend in ihre Clientèle hinein versetzen können. Der ständige Umgang mit den eigenen Technologien macht naturgemäß betriebsblind und verstellt den Blick auf die echten Probleme von Userinnen und Usern.

Fehlen dann womöglich auch noch klare Leitlinien und Checklisten, nach denen ein Dokumentationsprojekt abgewickelt werden muss, ist die Katastrophe vorprogrammiert. Die folgen können von steigenden Supportkosten, über Imageverluste, bis hin zur Einbuße von Marktanteilen reichen.

Dabei lässt sich dem Problem mit ein paar ganz einfachen Grundregeln vorbeugen:

1.: Qualität vor Quantität
Hier geht es nicht nur um grundlegende Voraussetzungen wie ansprechende, wertige Mediengestaltung, halbwegs korrekte Rechtschreibung, oder allgemein verständliche Formulierungen ohne Fachlatein. Diese Punkte sollten ja eigentlich selbstverständlich sein (sind es aber oft trotzdem nicht).

Es ist vor allem auch immer wieder zu hinterfragen, ob und wie viel Dokumentation für die Benutzerinnen und Benutzer tatsächlich sinnvoll ist. In welcher Form kann der notwendige Wissenstransfer am effektivsten stattfinden?

Nicht immer ist das klassische Handbuch automatisch die beste Wahl. Auch Kosteneffizienz spielt hier eine gewisse Rolle. Hat schon einmal jemand nachgerechnet, ob manche Fragen nicht vielleicht sogar effizienter und kostengünstiger im Telefon-Support erledigt werden könnten?

2.: Wer sind die Empfänger?
Gute Anleitungen haben vor allem die Bedürfnisse und Fragen der Anwenderinnen und Anwender im Blick. Dabei mag ein kritischer Blick auf die „realen Menschen da draußen“ so manche Überraschung mit sich bringen.

Oft haben Hersteller in Wirklichkeit, trotz aller Planspiele und Überlegungen, nämlich nur eine sehr unvollständige und diffuse Vorstellung davon, wer im Endeffekt die wirklichen „Endkunden“ sind.

Es ist daher immens wichtig, sich mit der tatsächlichen Alltagsanwendung der eigenen Produkte „im Feld“ zu beschäftigen und mit der Frage, wer genau am Ende den richtigen Umgang damit lernen muss.

Was uns auch gleich zum dritten wichtigen Punkt weiterführt:

3.: Aufgabenanalyse
Welche Aufgaben und Ziele wollen/müssen die Anwenderinnen und Anwender eigentlich mit dem Produkt erfüllen? Viele Anleitungen und Handbücher versuchen, fertige Kochrezepte zu verkaufen. Aber passen diese wirklich zu den Alltagsbedürfnissen der Empfänger?

Auch in diesem Bereich kann es bei genauerem Hinsehen so manche Überraschung geben.

Selbst relativ komplexe Produkte werden in der Praxis oft für Dinge eingesetzt, welche der Hersteller absolut nicht vorhergesehen hat.

Im betrieblichen Umfeld ist auch direkten Vorgesetzten der Anwenderinnen und Anwender mit erstaunlicher Regelmäßigkeit nicht wirklich klar, wie angeschaffte Geräte und Werkzeuge letztendlich verwendet werden.

Entsprechend verzerrt kann das Bild aussehen, welches sich zum Beispiel aus Feedbackgesprächen im Rahmen einer Fachmesse ergibt. Kommen dort die User zu Wort? Oder vielleicht doch eher deren Chefs? Am Ende gar nur die Einkäufer, also jene Menschen die, am weitesten vom Produkteinsatz entfernt sind?

Sind die Endanwender erst einmal identifiziert, gilt es also vor allen Dingen, direkt an die Quelle zu gehen und möglichst ungefilterte Erfahrungsberichte einzuholen.

Auf dieser Basis wird es letztendlich wesentlich leichter, sich in den Kopf der eigenen Leserinnen und Leser hineinzuversetzen und zufriedenstellende Handbücher zu entwickeln.

Wichtig ist natürlich, dabei von einem durchschnittlichen, halbwegs einheitlichen Wissensstand auszugehen. Ein Beispiel dafür wären etwa grundlegende Kenntnisse im Umgang mit einem Computer.

Wenn die überwiegende Zahl der Anwenderinnen und Anwender diese Grundvoraussetzung erfüllt, ist es höchst kontraproduktiv, Schritte zu erklären, welche sie selbstverständlich beherrschen. Da wären wir wieder beim Punkt Qualität vor Quantität.

Es könnte sich aber auszahlen, in der Präambel auf die Voraussetzungen des Dokumentes hinzuweisen und Wege aufzuzeigen, über welche fehlendes Know-How nötigenfalls erworben werden kann.

All diese Punkte müssen im Detail ausgearbeitet, in konkret umsetzbare „aktionable“ Schritte heruntergebrochen und in den Planungsprozess integriert werden. Dieser Artikel soll lediglich erste Denkansätze dazu liefern. Wer sich daran orientiert, ist aber zumindst schon einmal auf dem richtigen Weg.

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